Bob Ross – Weekend Marathon!
Beginning Friday at 12PM EST.
The Joy of Painting, 08.02.20201 [15.03.1998]
Ein dunkler Raum ohne erkennbare Dimensionen. Halbnahe. Warmes Licht. Ein Mann mit Farbpalette steht neben einer Staffelei mit Leinwand. Er trägt einen Afro, Vollbart, ein leicht geöffnetes helles Hemd und blickt direkt in die Kamera. Zwischenschnitte auf Nahaufnahmen der Palette und der Leinwand.
BOB ROSS |
Hi, I’m glad you could join me today because it’s a fantastic day and I thought today we just do a beautiful little painting together. |
So I tell you what, let’s start out and have run all the colors across the screen that you need to paint along with me. While they’re doing that let me tell you what I’ve already done up here. |
I have my standard old canvas up here,Now I use an 18 by 24 inch because it fits the television screen pretty good but you use whatever you want.And I’ve just taken black gesso and painted some basic shapes — oh boy, that’s looks like a big design in there. Just some basic shapes I have some ideas of where I want some little trees to be. The black gesso is allowed to dry completely and then on top of that, this time I’ve taken a little bit of liquid clear and very very small amount and I put a little of that on there and it makes putting a dark color on a transparent color much much easier, and for the transparent color we just used a mixture of alizarin crimson and little phthalo blue and it to make sort of a lavender color and have covered the entire dark area with that lavender.Up here just liquid white, okay? I know it seems like a lot but it’s really not. Liquid white and a little bit of transparent color. |
In fact one of the biggest questions I get is how do I tell if a color is transparent? Well the easy way is to take a little, and put it on a black canvas. If it still looks black it’s transparent enough for what we’re doing, it may not be totally transparent but sometimes semi-transparent is sufficient for what we’re doing. If you put it on here a little color and let’s say like white it’s very opaque you put it on here and it looks white then it’s not transparent enough for what we’re doing, okay? Good. |
Let’s just have some fun today, let’s start with the old 2 inch brush.We go into a little touch of phthalo blue. Just small amount, I don’t want much. Just tap it into the bristles.And maybe maybe maybe yeah right up here with this, we put in a little touch of skyline. I really do not want to have a great deal here, about like so, that’s enough.I’m going to wash the old brush.Very little color up there. |
Klopft kraftvoll den Pinsel aus und lacht. |
There’s the fun part. |
Anfang 2020 werden auf Twitch, der größten westlichen Livestreamingplattform, jedes Wochenende alte Folgen von The Joy of Painting gezeigt. Der Kanal bobross sammelt mit diesen Weekend Marathons Geld für ein Bob Ross Museum und im Chat freuen sich, egal zu welcher Uhrzeit, zwischen 1.000 und 3.000 Zuschauer:innen über jede „fluffy white cloud„ und jeden „happy little tree“. Bob Ross fügt sich erstaunlich zeitgemäß in die Plattform ein. Würde seine Kleidung und die Kameraqualität ihn nicht verraten, dann würde nicht auffallen, dass die letzte Staffel der Serie schon vor fast 30 Jahren ausgestrahlt wurde; nur, dass er konstant den Chat ignoriert, wäre etwas seltsam.
Twitch
Auf Twitch wird viel gemalt, gebastelt und gekocht, aber vor allem werden Videospiele gespielt. Der Umgang mit aufgezeichneten (Let’s Plays) und live übertragenen Spiele Sessions (wie auf Twitch) ist aus dem Blick einer Trendforschung deshalb so interessant, weil hier die Konkurrenz um die Ausreizung des technischen Möglichen (der Videospielindustrie und der Plattformen zur Einbettung/Übertragung) mit dem Wettbewerb von Amateur:innen und Influencer:innen um Aufmerksamkeit zusammenkommt. 2 Kurz: Es steht viel Geld auf dem Spiel, der Markt wächst und es herrscht großer Innovationsdruck.
Spiele eignen sich besonders gut dafür jemandem dabei zuzusehen, der gleichzeitig mit einem Publikum interagiert, weil sie designt werden, um Auge und Aufmerksamkeit zu fesseln, regelmäßige Erfolgserlebnisse produzieren oder zumindest das Scheitern so unterhaltsam und herausfordernd wie möglich gestalten. Wie bei Spitzensportler:innen ist es faszinierend jemandem zuzusehen, die eine Tätigkeit virtuoser oder beeindruckender ausführen kann, als es einem selber jemals möglich wäre, insbesondere wenn man sich selber schon mal an dieser Tätigkeit versucht hat oder als Kind davon geträumt hat, mit Freizeitaktivität seinen Lebensunterhalt zu verdienen.3 Als Zuschauer:in muss man im Gegensatz zur Spieler:in nicht immer hinschauen, um zu verstehen, was gerade passiert, weil man zum Beispiel die Karte, auf der gespielt wird, aus den vielen Partien zuvor oder aus der eigenen Spielerfahrung kennt. Wie bei einer Vorabendserie oder Quizshow im Fernsehen reicht es schon aus, den Sound im Hintergrund laufen zu lassen. Genau wie dort fällt das Mitfiebern leicht, auch wenn man nicht selber das Spiel kontrolliert. Wie beim Sport umso mehr, wenn man die Regeln (bzw. Beziehungen der Protagonist:innen) versteht und weiß was ein Sieg oder Niederlage im großen Kontext der Liga (oder der Geschichte) bedeutet.
Erzählimpulse
Jede neue Runde, jedes Level, jede Partie ist dabei eine Narration mit Anfang, Mitte, Ende und Hürden, die bewältigt werden müssen. Auch die Arbeit an einem Gemälde hat so einen eigenen Anfang und ein Ende, an dessen Fortschritt man das Verstreichen der Zeit beobachten kann. Das Bild gibt das Gerüst vor, über das Bob Ross spricht und markiert Anfang und Ende der Folge. Obwohl es überraschend sein kann, wie mehrere Pinselstriche von einem zum anderen Moment eine Farbfläche in einen Wald verwandeln, ist Mitfiebern bei Bob Ross vielleicht das falsche Wort. Aber es gibt wie beim Fußballspiel oder der Fernsehserie immer etwas, das passiert und manchmal sind die Überraschungen so groß, dass man den Drang verspürt, jemandem davon zu erzählen, die mit der Sache eigentlich nichts zu tun hat. Es gibt immer eine nächste Hürde, einen nächsten Schwierigkeitsgrad, einen Fortschritt. Dass der sich immer ähnlich, aber nie gleich wiederholt, macht es scheinbar umso interessanter anzusehen, solange diese kleinen Veränderungen Teil einer größeren Erzählung sind.
Spiele sind im Fall von Twitch vor allem eine einfache und vergleichsweise günstige Möglichkeit, visuell interessante Ereignisse zu erzeugen, denn wenn nichts passieren würde, dann gäb es nichts, worüber man reden oder reagieren könnte. Gerade bei kleinen Kanälen mit wenigen Zuschauern, bei denen also nicht schon die Interaktion mit den Zuschauer:innen oder die eigene Bekanntheit ausreichend Ereignisse hervorbringen, um keine Langeweile aufkommen zu lassen, werden deshalb oft auch einfach YouTube Videos im Stream angesehen und kommentiert. Wichtig ist, dass etwas passiert, an dem sich der Stream ereignen kann. Bei Bob Ross ist es das Gemälde, an dem sich sein Auftritt ereignet. Jede Folge beginnt mit der vorbereiteten Leinwand auf der Staffelei und endet nach dem letzten Pinselstrich. Die Vorbereitungen, Nachbereitungen und der Smalltalk am Set zwischen den Aufnahmen sind im Gegensatz zu den Livestreams auf Twitch nicht zu sehen, wo sie gleichberechtigt genauso Teil des Streams und der Show sind wie die Spiele oder die Bastelprojekte.
Ich-Erzählungen
Wahrscheinlich schaut nur ein Bruchteil der Zuschauer:innen auf Twitch The Joy of Painting, um etwas über seine Maltechnik zu lernen, sondern eher wegen Bob Ross, seinem zufriedenen Auftreten, seiner sanften Stimme und dem beruhigenden Effekt, den er hat, wenn man ihm beim Malen der immer gleichen kitschigen Landschaften zusieht. Man weiß genau was einen erwartet und was man damit gleichzeitig alles ausblenden kann. Die Streamer:innen wissen, dass es in erster Linie nicht um das geht, was sie im Stream machen, sondern um sie selbst. Sie machen sich und ihre Community zum Gegenstand des Streams, um so ein Publikum zu halten, dass das gleiche Spiel auch einen Klick weiter sehen könnte. In dieser Hinsicht funktioniert Twitch auch nach den Regeln der YouTube und Influencer Kultur: Es geht darum, Nischen zu besetzen, eine Community aufzubauen, Rituale zu schaffen, authentisch aufzutreten etc. Um dieses (für ein Publikum attraktives) Ich zu erzählen, müssen sie vom Gegenstand ihres Streams (Gaming, Basteln, Kochen etc.) abschweifen und ihre Handlungen kontextualisieren. Daran erzählen sie die soziokulturelle Bedingtheit ihrer Handlungen4, also hier ihre Identität, beziehungsweise Personenmarke. Für die Streamer:innen bedeutet das, dass sie gleichzeitig versuchen müssen die Ereignisdichte hochzuhalten und sich konstant zu diesen Ereignissen sichtbar zu verhalten. Bob Ross, der gerührt auf seine eigenen Wölkchen reagiert, ist der im Vergleich dazu langsame Prototyp. Auf Twitch sorgen die Kommentare zu seinen Bildern und Unterhaltungen im Chat für Tempo.
Heimeliges Sprechen
Die Inszenierungsbemühungen der Produzent:innen von Streamer:innen, aber auch ASMR-Videos5, Let’s Plays, VLOGS usw. lassen sich besser verstehen, wenn man hinhört, wie hier gesprochen wird. Besonders deutlich wird dies bei (Laber-)Podcasts, in denen das Sprechen und das Gespräch schon in der Anlage des Mediums selbst zum formgebenden Gegenstand wird und bei dem sich die Produzent:innen nicht gleichzeitig darum kümmern müssen, dass visuell konstant etwas passiert. Das diese Formen verbindende Sprechen bezeichne ich im Folgenden als heimeliges Sprechen, wobei Heimeligkeit hier gleichzeitig Ursprung, Klang und Zweck umfasst. Heimeliges Sprechen – so meine These – ist das Produkt eines Spannungsfeldes von erlebter Nähe trotz räumlicher Distanz unter digitalen Bedingungen zu Beginn der 2020er Jahre, wie eines (zunehmend) mündlichen Webs, einer immateriellen Dienstleistungs- und Aufmerksamkeits- ökonomie und identitätsstiftenden Vergemeinschaftungspraktiken in einer Individualkultur. Das heimelige Sprechen steht für die Schwelle eines oral-mündlichen Webs, das zunehmend aural-akustisch wird, das sprechend gemacht und erlebt wird. Es beschreibt die Unsicherheiten und Sehnsüchte eines Zeitausschnitts der Digitalisierung nach dem textbasierten Netz und dem Web der Bilder und bevor aus der Ferne gerochen, geschmeckt und getastet werden kann.
Struktur
Um zu verstehen, warum sich die Heimeligkeit als Denkfigur anbietet, um Zweck und Klang der aufgeführten Phänomene näherzukommen, werde ich zunächst das dieser Heimeligkeit zugrunde liegende Spannungsfeld fernmündlicher (Tele-)Präsenzerfahrung erörtern und seine Erscheinungsformen vorstellen. Fünf Essays stehen dabei jeweils für Teilaspekte dieses Spannungsfeldes: die Frage der räumlichen Ab- und Anwesenheit, zeitlicher Gegenwärtigkeit, kommunikativer Verfügbarkeit, nach einem Gefühl von Intimität & Authentizität und nach der Körperlichkeit der Stimme. Vor diesem Hintergrund formuliere ich dann Ursprung und Nutzen des angeeigneten und aufgeladenen Sammelbegriffs Heimeligkeit, um dann im letzten Essay das Labern & Gerede als Sprechen hervorzuheben, weil sich das unwichtige und gleichzeitig notwendige Sprechen besonders gut eignet, um (digitale) Heimeligkeit zu erzeugen und zu beschreiben.
Alle dafür verwendeten Beispiele stammen von Akteur:innen, die bereits ein größeres Publikum haben und so mit einer gewissen digitalen Bühnenerfahrung auftreten. Das (digitale) heimelige Sprechen ist im Folgenden also immer ein sich seiner Öffentlichkeit, mal mehr, mal weniger, bewusstes Sprechen. Es ist theatral, weil es sich um Aufführungen (Performances) handelt, deren inszenierte Erscheinung an Körper und Materialien gebunden ist, „die während der Aufführung nicht hinter Bedeutungen und Sinngehalt zurücktreten, sondern in ihren korporalen und materiellen Eigenheiten spürbar bleiben“6 und sich erst in der Wahrnehmung eines Publikums realisieren.
Das private heimelige Sprechen (ohne sagen zu können was das sein soll) klammere ich wie die Beschäftigung mit der visuellen Einbettung des heimeligen Sprechens und überhaupt der Visualität einer solchen Heimeligkeit weitestgehend aus. ■
Acht Essays Über Internetgelaber | (Digitales) Heimeliges Sprechen
- twitch.tv/bobross
- Vgl. Vicky Osterweil: Play Per View (27.06.2019), und Jeremy Antley: Running the Numbers (15.04.2019).
- Das gleiche gilt z.B. auch für die Vorstellung mit den lustigen Gesprächen mit einer Freund:in zu Ruhm und Geld zu kommen (Podcasts) oder durch die Auswahl von Kleidungsstücken und Urlaubszielen (Instagram).
- Thomas Düllo (2015): Abwegen und Abschweifen. Versuch über die narrative Drift, S. 152.
- Autonomous Sensory Meridian Response, siehe Körper & Stimme.
- Matthias Warstat (2005): „Theatralität”, in: Fischer-Lichte, Erika/Kolesch, Doris/Warstat, Matthias (Hg.): Metzler Lexikon Theatertheorie, S. 387.
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