In diesem Video passieren sehr viele Dinge gleichzeitig:
Es ist ein Ausschnitt aus dem Stream von Asmongold, einem der größten englischsprachigen Streamern auf Twitch. In diesem 46 Minuten Video reagiert er auf das „The Parasocial Problem with Livestreaming“ von dem YouTuber Glink. Reagieren heißt, dass er das 27 minütige Video vor den Augen seiner Zuschauer:innen ansieht, kommentiert und immer wieder pausiert. Asmongold ist selber Gegenstand und teil des Videos. Er wurde dafür interviewt und genauso einer seiner Fans. Der Chat, der für die Veröffentlichung des Ausschnitts auf YouTube in das Bild montiert wurde, reagiert auf jede dieser Erwähnungen euphorisch.
Was mich an Twitch so fasziniert, ist genau diese Verstrickung aus Themen, Ebenen, Bezügen und Reaktionen; das visuelle und akustische hin und her, die Gleichzeitigkeit des Stadions und der Kammer unter dem Dach.
Es lohnt sich das Video in seiner vollen Länge anzusehen, um zu verstehen wie Twitch funktioniert und welche Kämpfe in diesem Universum gerade gefochten werden. Einer davon hat mit „Titty Streamers“ zu tun und Glink verweist in diesem Kontext auf ein anderes Video von sich, das ähnlich pessimistisch ist: „The Lonely Fans of OnlyFans“
In beiden Videos geht es um Einsamkeit und daraus resultierende Übergriffe oder Abhängigkeiten. Parasoziale Beziehungen1werden von Glink grundlegend als Problem verstanden, was ich wiederum problematisch finde. Was eine zu bemitleidende Ersatzhandlung gegenüber dem echten/wirklichen ist, kann je nach Kontext sehr unterschiedlich sein. Gibt es einen Unterschied zwischen der OnlyFans Nutzer:in und der Gläubigen, die zu ihrer Göttin spricht und jeden Monat Geld an ihre Kirche überweist?
Ja ok. Die Nacktheit.
Und die ist eigentlich viel interessanter als der in diesen Videos steckende Internetpessimismus.
Onlyfans ist das Patreon für Nacktbilder. Nicht nur, aber vor allem. Ich bezahle und bekomme Zugang zu exklusiven Inhalten. Onlyfans gehört damit zu einem ganzen Spektrum von Social Media Plattformen mal mehr oder weniger sexualisierter parasozialer Beziehungen. Instagram und Twitch gehören genauso dazu wie E-Pal (vorher E-Girl), Chaturbate oder MyFreeCams. Die Grenze des Zeigbaren wird dabei von den Regeln der Plattformen gezogen. In den Profilen wird auf die Plattform verlinkt, die einen noch näher dran sein lässt.
Der Link auf den Onlyfans Account ist nicht nur die Einladung in einem Fanclub mit einer hören Chance gesehen zu werden, sondern spricht auch das Verlangen an, der Beziehung eine gegenseitige virtuelle körperliche Bezogenheit zu geben, die sie für mich als Fan sowieso schon hatte.
Glink zeigt in seinem Video, das es den Onlyfans Nutzer:innen oft gar nicht um das pornografische Material an sich geht (davon gibt es im Internet genug), sondern um die Beziehung, die sie damit als Fan und Bewunderer:in eingehen. Die Aufmerksamkeit, Intimität, Interaktion, Nähe, Heimeligkeit die hier verkauft wird, ist jedoch sexualisiert. Reichweite gibt es für die Präsentation der Version eines intimen Selbst und wo es darum geht sich übertragene Sinne nackig zu machen, ist sich tatsächlich nackig zu machen ein naheliegendes Werkzeug im Wettbewerb um Abonnenten.
Um noch näher dran, noch exklusiver, noch authentischer zu sein, kann man sich immer noch ausziehen. Wobei gerade diese ausgezogenen Körper viel verkleideter und künstlicher erscheinen. Das Als-ob des Zugangs und der Anteilnahme wird durch die Nacktheit beglaubigt?
- Also ein Verhalten, in dem die „Hörbereitschaft, Antwortfähigkeit oder gar Existenz völlig dahinstehen, jedoch organisatorisch oder technisch fingiert werden können, oder die als Ansprechpartner einfach unterstellt werden.” (Wikipedia)
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