Rückzug in den Podcast

Als im Herbst 2021 deutlich wurde, dass sich der vorherige COVID-Winter wiederholen würde, suchte ich nach einem Rückzugsort und fand Zuflucht in einem meiner alten Lieblingspodcasts: Harmontown. Ich fing nochmal mit der ersten Folge an und die hunderten Stunden Audio, die vor mir lagen, gaben mir ein wohliges Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit, doch schon während der fünften Episode saß ich weinend am Küchentisch.

Von diesen Tränen zu schreiben ist mir unangenehm, weil ich beim Schreiben über den akustischen Rückzug nicht um seinen Grund herumkomme. Ich habe es versucht, aber als ich den Text mehr frustriert als zufrieden für fertig erklärt hatte, klaffte darin ein Loch, welches ihn schließlich beim Versuch, ihn zu übersetzen, in sich zusammenfallen ließ. Die Sprache hatte zusammengehalten und versteckt, was ich schamvoll ausgelassen hatte. Dies ist der zweite Versuch.

Harmontown

Harmontown (2012-2019) war eine wöchentliche, ein bis zweistündige improvisierte Liveshow aus Los Angeles, die sich um ihren Host Dan Harmon, den „Comptroller“ Jeff B. Davis, ihre Freunde, Gäste und um sich selbst drehte. Harmontown stach für mich heraus, weil es die Energie einer Bühnenperformance hatte, sich dabei aber immer als Podcast verstand. Obwohl es ein Livepublikum gab und man in den späteren Jahren für fünf Dollar im Monat Zugriff zu Videos und Livestreams erhalten konnte, wurde das Live-Ereignis inklusive des Publikums vor Ort als Teil der Show behandelt. Die eigentliche Show vor Ort verstand sich als die eigentliche Show in meinen Ohren, war dabei aber ganz vor Ort in Los Angeles und so hatte ich, auch aus tausenden Kilometern Entfernung, immer das Gefühl, Teil des eigentlich gemeinten Publikums zu sein.

Zu diesem Publikum stieß ich irgendwann knapp nach der Kandidatur von Donald Trump, und von da an wurde der Podcast bis zu seiner letzten Episode mein treuer Begleiter. Mit seinem Ende hinterließ Harmontown im Dezember 2019 eine zweistündige Lücke in meiner Woche, die so erstmal kein anderer Podcast füllen konnte und sollte. Trotzig und sehnsüchtig fing ich deshalb nochmal mit der ersten Folge an, die ich zu dem Zeitpunkt ja noch gar nicht kannte. Es gab vielleicht keine neuen Folgen mehr, aber in der Vergangenheit gab es noch eine Menge zu entdecken, das beruhigte mich, und im Archiv musste ich noch nicht mal auf neue Episoden warten. Den Rest des Winters hörte ich mich also exzessiv wieder an meinen ersten Einstiegspunkt in den Podcast, also die Kandidatur von Trump, heran. Dann kam COVID-19 in Europa an und die Welt wurde zu eng und deprimierend, um die Folgen dieses politischen Schreckens parallel zur Pandemie noch einmal zu durchleben.

Anderthalb Jahre später, im Herbst 2021, fing ich dann ein zweites Mal von vorne an, weil ich das wohlige Gefühl der Anfangsjahre des Podcasts und des Trosts, den sie mir im Winter vor der Pandemie gespendet hatten, noch einmal herbei beschwören wollte. Das funktionierte bis zum Ende der fünften Episode (Confessions Of An Alcoholic Mars Rover) erstmal auch ganz gut. Da fragt Dan Harmon, der das Pen & Paper Rollenspiel Dungeons & Dragons zum Teil der Show machen will, ob sich jemand im Publikum befindet, der sich damit auskennt und dabei helfen könne. Eine Hand schnellt nach oben und auf die Bühne kommt Spencer Crittenden, der ab dieser Folge als “Dungeon Master” ein fester Bestandteil des Podcasts wird, das zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht weiß. Ich aber schon. Und während das Publikum applaudierte und Spencer sich vorstellte, fing ich an zu weinen.

Identifikation und Stellvertreterhoffnung

Der zweite Herbst der Pandemie war an diesen Tagen nur die schneebedeckte Spitze des Bergs, vor dem ich mich verstecken wollte. Verschleppte Selbstzweifel und Zukunftsängste nach dem Ende des Studiums, ein auslaufender Arbeitsvertrag, unsichere Mietverhältnisse, ein abgebrochenes Promotionsexpose, neue Klimaprognosen und weltweite Wahlerfolge von Populisten und Faschisten hatten mich eingekreist und die Tage wurden immer kürzer. Spencer repräsentierte ein hartnäckiges altes Selbstbild, auf das ich meine Rettungsfantasien projizieren konnte:

Der Fan und gesellschaftliche Außenseiter mit langen Haaren, Zaubererbart und Vorliebe für Fantasy und Fastfood tritt aus dem im Podcast hörbaren Publikum vor das Mikrofon und ins Rampenlicht. Er bekommt einen Namen, einen eigenen Platz auf der Bühne und wird zu einem Angelpunkt der Show. Sein Talent wird erkannt, gefördert und er hat damit Erfolg, kann später sogar seinen Job aufgeben und das alles nur, weil er zufällig im richtigen Augenblick am richtigen Ort ist und ihm die Hand gereicht wird.

Zumindest war es das, was ich hören wollte, weil ich mir selber wünschte entdeckt, geadelt und aus der Glanzlosigkeit des Alltags gehoben zu werden. Und weil ich ja wusste, was in dieser und in den nächsten Episoden passieren würde, hatte ich auch den Beweis, dass sowas wirklich passieren kann, dass eine bessere Zukunft möglich war. Vielleicht also auch für mich – ein Gedanke, der gleich darauf in das schmerzhafte Eingeständnis kippte, insgeheim schon länger auf Erlösung gehofft zu haben. Ein Eingeständnis, dass sich einige Monate später nochmal wiederholte, als ich merkte, dass ich ganz ähnliche Hoffnungen auf diesen Text gesetzt hatte. Schlimmer noch, weil ich mir eingestehen musste, selber einer von denen geworden zu sein, die lieber nicht fertig werden, um die Tagträume von dem, was noch werden könnte, nicht mit der Notwendigkeit zu handeln und der Möglichkeit zu scheitern, konfrontieren zu müssen. Mit dem Podcast war ich ja auch nie wirklich fertig geworden, obwohl ich alle Folgen mindestens zweimal gehört hatte.

Zukunftsgerichtete Verwobenheit

Indem ich einen Podcast abonniere, drücke ich mein Interesse für eine noch nicht eingetretene, aber mögliche Zukunft aus. Einzelne Episoden sind zwar für sich adressierbare Einheiten, stehen technisch aber in einer Reihe – einem Feed. Es ist möglich, in diesem Feed Geschichten als in sich geschlossene Staffeln zu planen und produzieren, aber es ist nicht unbedingt notwendig. Bei einem Podcast ist es im Vergleich zu den Anforderungen einer Fernsehproduktion damit in der Regel einfacher “einfach anzufangen und zu schauen, wie es sich entwickelt”. Diese zukunftsgerichtete Offenheit ermöglicht es also narrativ zu einer Reise aufzubrechen, bei der das Ziel noch nicht feststeht. Bei Harmontown übertrug sich die Offenheit der großen Erzählung auch auf die einzelnen Episoden des Podcasts. Die improvisierte Liveshow hatte ein loses dramaturgisches Gerüst und einen mehr oder weniger festen Personenpool, die Rahmenbedingungen blieben also immer die gleichen und verlässlich. Gleichzeitig konnte in diesem Rahmen jede Woche alles mögliche passieren (improvisierte Sci-Fi-Musicals, Wutanfälle, Geständnisse, ein Überraschungsbesuch von Robin Williams usw.). Und weil sich auch die Hosts regelmäßig verletzlich machten und quasi die Offenheit ihrer eigenen Erzählung präsentierten, wurde ich als Hörer über die hunderten Stunden genauso zum beglaubigenden Komplizen ihrer persönlichen Entwicklung, wie auch zum Komplizen jeder einzelnen Episode und des gesamten Podcasts. Meine Geschichte hatte sich mit dem Podcast verknotet, weil ich mich gemeinsam mit ihm und seinen Protagonisten durch die Zeit in eine offene Zukunft bewegt hatte. Weil ich gemeinsam mit Harmontown gealtert und gewachsen bin, blicke ich auf eine gemeinsame Strecke zurück. Wenn ich mich heute an den Auftritt von Spencer erinnere, dann war ich kein Zuhörer, sondern Zeuge.

Gemeinsame Strecke

Podcasts sind für mich, wie für die meisten, ein Nebenbeimedium.1 Ich habe Harmontown auf dem Fahrrad, beim Joggen, beim Putzen oder im ÖPNV gehört. Ich verbinde den Podcast kaum mit besonderen Hörerinnerungen, sondern eher mit der Zwischenzeit einer bestimmten Lebensphase, der Alltäglichkeit einiger Monate zwischen den Erinnerungen. Harmontown ist für mich genauso die große Laufrunde durch den Tiergarten gegen Frustspeck, wie die Strecke mit Wechselunterhose von Moabit nach Alt-Mariendorf. Wo andere vielleicht eher Songs oder Bands in Kopf haben, die sie während einer Trennung in Dauerschleife gehört haben, denke ich an die Sprechstimmen, die mich ablenken und aufheitern sollten. 

Benedict Anderson beschreibt, wie regelmäßig erscheinende Medien, in denen sich Geschichten mit dem Kalender oder der Uhr entwickeln, es ermöglichen, sich als Teil einer Gemeinschaft zu erfahren, welche Ereignisse zeitgleich miterlebt.2 Deshalb ist das Datum auf der Zeitung und die Uhrzeit am Anfang der Radionachrichten bei aller Unscheinbarkeit so wichtig, weil mit dem Rhythmus des Erscheinens eine Verbindung zwischen scheinbar unzusammenhängenden Ereignissen hergestellt wird.3

Harmontown habe ich nur während seiner letzten Jahre von Woche zu Woche verfolgt. Die frühen Episoden habe ich erst gehört, als sie schon Jahre zurücklagen und dann auch nicht wöchentlich, sondern immer, wenn ich gerade Zeit hatte. Trotzdem fühlte ich mich beim Hören als Teil einer eingeweihten Gemeinschaft, vor deren Ohren sich die Ereignisse von Episode zu Episode entfalteten. Auch wenn im Podcast zeitlich klar zu verortende politische Themen der Gegenwart besprochen wurden, war die Eigenzeit der Audioaufnahmen und der Geschichte, die mit und damit zwischen den Episoden erzählt wurde, für meinen Eindruck von Gegenwärtigkeit ausschlaggebender als ihre tatsächliche Aktualität. Zumindest bis zur Wahl von Trump. Als ich zum ersten Mal nochmal von vorne angefangen hatte, drängte sich ab diesem Zeitpunkt die Tagespolitik, und mein Wissen davon, was aus ihr im Podcast und in der Welt folgen würde, vor die Ereignisse in meinem Ohr und ich wendete mich anderen Podcasts zu.

Podcasts während der Pandemie

Harmontown war während der Pandemie nicht mein einziger Rückzugspodcast. Insbesondere in den ersten Monaten, als ich mich noch nicht an die Maske im Gesicht gewöhnt hatte, wurde die Bedeutung dieser akustischen Rückzugsorte für mich besonders deutlich.4

Während ich das hier aufschreibe, habe ich ca. 120 Podcasts abonniert. Über die Hälfte davon haben schon seit Monaten oder Jahren keine neue Folge mehr veröffentlicht und viele davon verfolge ich eher aus einem akademischen/beruflichen Interesse. Diese Liste ist also auch ein Archiv, ein Branchenüberblick und ein Forschungswerkzeug. Und trotzdem. Selbst wenn ich die Podcasts abziehe, bei denen ich nur gelegentlich reinhöre, bleiben noch zwischen 10 und 20 Podcasts übrig, bei denen ich am liebsten jede neue Folge hören würde. Und während der ersten COVID-Monate hatte ich theoretisch sogar zum ersten Mal die Zeit, das auch wirklich zu tun. Tatsächlich sah mein Podcastkonsum aber ganz anders aus.

Obwohl hunderte spannende Feature und Vorträge in meiner Wiedergabeliste warteten, hörte ich fast nur noch Comedy und Unterhaltungsformate, für alles andere fehlte mir die Kraft. Interessanterweise auch für fiktionales. Statt einer Flucht in die Weite und in fantastische Möglichkeitsräume des „es könnte auch anders sein“ suchte ich fast ausschließlich Zuflucht in Popkultur und in unterhaltsam aufbereiteter Alltäglichkeit.

Vertraute Stimmen

Dabei hörte ich kaum etwas Neues, sondern kehrte immer wieder zu den gleichen, vertrauten Stimmen zurück, als hätte ich auch die virtuellen Kontakte reduziert. Dazu gehörte auch, dass ich kaum noch Interview-Podcasts hörte, sondern eher (Gesprächs-)Formate, die von den Hosts dominiert werden, in denen also immer wieder die gleichen Personen und Stimmen vorkommen.

Podcasts waren damit die Bekannten, die beim Social Distancing nicht verschwunden sind. Sie meldeten sich selbstständig und regelmäßig bei mir, ganz egal, ob ich die letzte Folge gehört hatte und die Stimmen der Hosts in meinen Kopfhörer waren mir gleichzeitig so nah und fern wie Personen, die ich zwar freudig in der Straße grüße, aber zum Abschied nie umarme. Eben keine richtigen Freunde, weil sie meine Existenz als Hörer ja nur erahnen konnten, aber doch gute Bekannte, die einen festen Platz in meinem Leben hatten. Deshalb war auch egal, ob eine Folge aktuell war oder aus dem Archiv stammte. Unsere gemeinsame Geschichte war eine Geschichte aus kleinen Anekdoten und gemeinsam verbrachter Zeit. Auch hier fiel die Eigenzeit der Aufnahmen stärker ins Gewicht als ihre Aktualität, aber dies betraf eben auch die Reihenfolge, in der ich die Folgen hörte. Wichtig war nur, dass es sich um eine neue Episode in meiner Beziehung zu den Stimmen und Charakteren handelte, die sich für mich verletzlich gemacht hatten und ich für sie, weil sie mich an so vielen Tagen zwischen den Ereignissen begleitet hatte. Die Kontinuität dieser Beziehung war das wichtige. Die Vorhersagbarkeit („Es gibt und kommt noch mehr.“) und Kontrollierbarkeit („Es liegt in meiner Hand.“) von Vertrautheit („Ich kenne euch und ihr irgendwie auch mich.“) gab mir ein Gefühl von Sicherheit, das der Alltag um mich herum verloren hatte. Podcasts waren für mich damit Alltagserfahrungen von Nähe, die sich mit der Ankunft von COVID-19 nicht neu arrangieren mussten und die, egal ob beim Blick ins unerschlossene Archiv oder beim Warten auf die nächste Folge, eine Kontinuität versprachen, die zumindest in meinem Leben schon vor dem Ausbruch der Pandemie ins Wanken geraten war.

Einbruch der Gegenwart

Als ich mich im Herbst 2021 wieder nach der Zerstreuung und Sicherheit von Harmontown sehnte, und nochmal von vorne begann, überrumpelte mich der erste Auftritt von Spencer, und zwar exakt als seine Stimme zum ersten Mal zu hören war.

Was schon passiert war und was noch passieren würde – im Podcast und meinem Leben, in diesem Moment und als ich die ersten Episoden zum ersten Mal gehört hatte – überlagerten sich und die Gleichzeitigkeit von erlebtem Stillstand und verstrichener Zeit katapultierte mich zurück in die Gegenwart, aus der ich zu flüchten versucht hatte. Weil meine Geschichte mit der des Podcasts verwoben war, begegnete ich mir in dem Moment, in dem Spencer aus der Anonymität des Publikums tritt und zum wichtigen Teil der Show wird, mit allen in der Zwischenzeit enttäuschten Hoffnungen und Wünschen selber, und zwar mit der ganzen Wucht und Endlichkeit, die in einem solchen verdichteten Zeiterleben steckt. Eigentlich verwunderlich, dass ich nur leise weinte und nicht schluchzend am Boden lag.

Ich hatte den Podcast mit einem Wunsch nach Geborgenheit nochmal angefangen und mit der Hoffnung, mich an seine Zukunftsgerichtetheit hängen zu können. Zwei Jahre nach der letzten Folge des Podcasts lag zwar eine Beziehung und ein Job hinter mir, aber eigentlich hatte sich kaum etwas verändert, nur eine Pandemie war dazugekommen. Weil sich meine Situation kaum verändert hatte und weil es keine neuen Folgen in der Beziehung zum Podcast mehr zu entdecken gab, drehte ich mich im Kreis. Das Zukunftsversprechen von Harmontown hatte sich erschöpft. Vorhersagbare Kontrolle gab es damit nur noch in der Vergangenheit und die Geborgenheit, die ich dort fand, bekam den Beigeschmack von Selbstbetrug. Schamvoll wendete ich mich anderen Podcasts zu, die noch nicht auserzählt waren.

Abschiedsatmosphäre

Dass Stimmen trösten können und Gemeinschaft Geborgenheit vermitteln kann, ist keine Überraschung. Genauso wenig, dass an Menschen und Orten eines bestimmten Lebensabschnittes die gemeinsame verbrachte Zeit klebt. Atmosphären festhalten zu können ist nicht spezifisch für Podcasts und noch nicht mal für audio/visuelle Medien. Für mich sind Podcasts, was ihre Funktion als akustische Rückzugsräume betrifft, aber ein besonders atmosphärenmächtiges Medium. Sie sind akustische dritte Orte, an die ich mich beim Sport, in der U-Bahn und beim Putzen zurückziehen und wo ich Kraft und Zugehörigkeit tanken kann. Und auch wenn ich akustisch vielschichtig produzierte Feature-Serien und Hörspiele schätze, sind es doch in der Regel die betont episodischen und betont mündlichen Formate, die diesen heimeligen Effekt auf mich haben. Also die Formate, die sich gemeinsam mit mir von Episode zu Episode in die Zukunft bewegen und deren vertraute Stimmen meinen Gedanken dabei meist ungeskriptete Gesellschaft leisten.

Mit seiner Mischung aus verlässlichem kreativem Chaos und intimen Momenten war Harmontown von all meinen akustischen Rückzugsorten lange derjenige, an dem ich mich am sichersten fühlte. Nachdem seine schützenden Wände zu Spiegel geworden waren, verlor er diese Sicherheit. Ich höre manchmal noch rein, aber ich verschanze mich dort nicht mehr. Dass das in der Küche auch Abschiedstränen gewesen waren, begriff ich erst Wochen später, als ich versuchte, die Situation für einen Artikel über akustische Rückzugsräume aufzuschreiben, welcher dann doch auch ein Text über das Loslassen und den Aufbruch ins Unbekannte wurde. Weil ich diese Menschen noch nie getroffen hatte und ihre Stimmen und Präsenz über das Interface meines Smartphones steuerte, hatte ich auch geglaubt kontrollieren zu können, wie nah sie mir stehen.


  1. In Umfragen der letzten Jahre steigt zwar die Anzahl der Menschen, die angeben Podcasts „in Ruhe zu Hause“ zu hören, aber daraus auf ein konzentriertes Zuhören bei geschlossenen Augen zu schließen (ich übertreibe), klingt für mich eher nach einem Wunschdenken von Werbevermarktern, die reinere Aufmerksamkeit verkaufen wollen. Auch wenn ich beim Hören ein Bild male oder einen Kuchen backe, würde ich „in Ruhe zu Hause“ und nicht „Hausarbeit“ ankreuzen.
  2. Benedict Anderson (1991): Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism [Erstausgabe 1983], S. 25.
  3. Zur Differenzierung und Beziehung des „Jetzt“ der Aufnahme und des „Jetzt“ des politischen Tagesgeschehens siehe auch Alyn Euritt (2019): „Public circulation in the NPR Politics Podcasts”, in: Popular Communication. The International Journal of Media and Cultures, Jg. 17, Nr. 4.
  4. Ende 2020 habe ich schon einmal darüber geschrieben: Weniger allein sein, ohne dabei sein zu müssen – mein Podcastkonsum während COVID-19

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